2.2
Diagnostik |
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Die
wichtigsten klinischen Untersuchungsmethoden des Herzens sind:
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Beurteilung der Herzform
und -größe durch Beklopfen (Perkussion), |
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Abhorchen des Herzens mit
dem Stethoskop (Auskultation). Diese relativ einfachen Untersuchungen
erlauben häufig nur die vorläufige Diagnose einer bestimmten
Herzerkrankung. |
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Pulsfühlen und
Blutdruckmessen
liefern wertvolle zusätzliche Informationen und sollten vom geschulten
Pflegepersonal einwandfrei beherrscht werden. |
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Die Auskultation der
Lungen, um festzustellen, ob eine Lungenstauung als Folge einer Herzinsuffizienz
vorliegt. |
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Wichtige |
diagnostische |
Methoden |
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2.2.1
Puls |
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In der Regel wird der Puls
an der Arteria radialis (Speichenschlagader) getastet. Zur Beurteilung
des gesamten arteriellen Gefäßsystems dient das Fühlen
anderer wichtiger Arterienpulse, z.B. am Hals, in den Schlüsselbeingruben,
Achselhöhlen, Leistenbeugen, in der Kniekehle, am Fußrücken
und am Fußinnenknöchel. Aussagekräftig sind sämtliche
Pulsqualitäten,
d.h. die Frequenz, Spannung, Größe, der Rhythmus sowie der Druckablauf. |
Die Pulsfrequenz in Ruhe
nimmt im Laufe des Lebens ab. Sie beträgt beim Neugeborenen 140/min,
beim Zehnjährigen 90/min und beim Erwachsenen 60-80/min. Beim Gesunden
sind Herz- und Pulsfrequenz identisch. Beim Herzkranken kann die Pulsfrequenz
niedriger liegen als die Zahl der Herzschläge, weil der geschwächte
Herzmuskel nicht in der Lage ist, bei jedem Schlag ein ausreichendes Schlagvolumen
auszuwerfen. Eine solche Differenz zwischen Herzfrequenz und Pulsfrequenz
wird Pulsdefizit genannt. Ein Pulsdefizit bedeutet immer, dass eine erhebliche
Leistungsminderung des Herzens vorliegt. |
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Pulsfrequenz
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Ist kein Radialispuls zu
tasten, so kann dies folgende Ursachen haben:
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Der Blutdruck ist stark
abgesunken (häufigste Ursache). Sofort den Blutdruck messen und den
Arzt verständigen, da nur er entscheiden kann, ob lediglich ein flüchtiger,
vorübergehender Blutdruckabfall (z.B. nach längerem Stehen) oder
ein Kreislaufschock vorliegt. |
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Die A. radialis ist, z.B.
durch ein Blutgerinnsel, verschlossen (selten). |
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Sinkt die Pulsfrequenz unter
50/min ab, spricht man von einer Bradykardie. Eine Bradykardie kann physiologisch
Ausdruck eines guten Trainingszustandes ("Schonung des Herzens", sog. Sportlerherz)
sein. Generell kann jede Reizung des Vagusnerven, der als "Herzbremse"
fungiert, eine Bradykardie auslösen. Über diesen Mechanismus
bewirken Morphin, Digitalis, Erbrechen oder eine Steigerung des Hirndrucks
(z.B. durch Hirntumor, -blutung, -ödem) eine Bradykardie.
Durch eine Hemmung des Sympathikusnerven
führen die sog. Beta-Rezeptorenblocker (z.B. Dociton®, Beloc®,
Visken®) zu einer Bradykardie. Auch eine Schilddrüsenunterfunktion
oder Typhus können mit einer Bradykardie einhergehen. Eine häufige
Ursache für eine Bradykardie ist das Syndrom des kranken Sinusknotens,
das Sick-Sinus-Syndrom. Besonders schwerwiegend sind Bradykardien infolge
einer Reizleitungsstörung, z.B. durch Unterbrechung der Reizleitung
zwischen AV-Knoten und Kammer. |
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Bradykardie |
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Merke: Tritt bei
Patienten mit Herzkrankheiten eine plötzliche Pulsverlangsamung auf,
so ist dies immer ein alarmierendes Zeichen! |
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Als Tachykardie bezeichnet
man eine Pulsfrequenz von über 100/min. Sie ist physiologisch bei
körperlicher Belastung und bei seelischer Erregung. Im Fieber steigt
die Pulsfrequenz (mit Ausnahme von Typhuserkrankungen und manchen Virusinfekten)
in der Regel um etwa 8 Schläge/min je 1° C Temperaturerhöhung
an. Atropin (Vagushemmung), Adrenalin, Noradrenalin, Koffein und Alkohol
beschleunigen die Herzfrequenz. Im Rahmen einer Schilddrüsenüberfunktion
(Hyperthyreose) liegt fast immer eine Tachykardie vor, häufig auch
bei schweren Anämien. Ebenso ist bei vielen Herzklappenfehlern, bei
den meisten entzündlichen Herzerkrankungen und im Schock die Pulsfrequenz
erhöht. |
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Tachykardie |
Die Größe der
tastbaren Pulswelle hängt im wesentlichen vom Schlagvolumen ab. Im
Rahmen einer bestehenden Herzinsuffizienz, im Schock und bei bestimmten
Herzklappenfehlern (Mitral- und Aortenstenose) ist daher der Puls dünn
oder fadenförmig. Hart und gespannt wird der Puls bei Blutdruckerhöhung
getastet, weich und leicht unterdrückbar bei niedrigen Blutdruckwerten.
Ein plötzlich ansteigender, schnellender Puls weist auf eine große
Blutdruckamplitude (Differenz zwischen systolischem und diastolischem Wert)
hin. |
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Größe
der Pulswelle |
Sehr wichtig ist der Pulsrhythmus.
Nicht nur beim Gesunden, sondern auch bei vielen Herzkranken ist der Puls
völlig regelmäßig. Arrhythmie hingegen bedeutet
wechselnden Rhythmus. Harmlos ist die atmungsabhängige (respiratorische)
Arrhythmie, die besonders bei Kindern und Jugendlichen nachweisbar ist:
Bei der Einatmung nimmt die Pulsfrequenz zu, bei der Ausatmung fällt
sie ab. Als absolute Arrhythmie bezeichnet man eine vollständige
Unregelmäßigkeit des Pulses. Meist beruht sie auf einem Vorhofflimmern
und wird vor allem bei Klappenfehlern mit Überdehnung des linken Vorhofs,
bei degenerativen Herzerkrankungen und bei der Schilddrüsenüberfunktion
gefunden. Extraschläge des Herzens, sog. Extrasystolen, bewirken ebenfalls
eine Arrhythmie. |
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Pulsrhythmus |
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nach oben |
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2.2.2 Blutdruck |
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Die apparative Blutdruckmessung
wurde 1895 von dem italienischen Kinderarzt SCIPIONE RIVA-ROCCI eingeführt
(daher die Abkürzung RR für Blutdruck). Die Messung erfolgt mit
einem sog. Sphygmomanometer. |
Für eine korrekte Blutdruckmessung
ist laut den Empfehlungen der Deutschen Liga zur Bekämpfung des hohen
Blutdrucks folgendes Vorgehen wichtig: Die luftleere Manschette muss fest
anliegen und soll etwa 2,5 cm oberhalb der Ellenbeuge enden. Unabhängig
in welcher Position (Sitzen, Liegen) gemessen wird, soll sich der Ellenbogen
in Herzhöhe befinden. Bei der Erstmessung ist immer an beiden Armen
zu messen, da es - z.B. bei Verschlüssen von Armarterien - erhebliche
Blutdruckunterschiede geben kann. Die weiteren Messungen erfolgen immer
an dem Arm mit dem höheren Blutdruckwert. Der Manschettendruck wird
unter Palpation des Radialispulses rasch auf einen Wert aufgepumpt, der
ca. 30 mm Hg oberhalb desjenigen Druckes liegt, bei dem der Radialispuls
verschwindet. Anschließend wird der Manschettendruck langsam verringert
und gleichzeitig die Schlagader in der Ellenbeuge auskultiert. |
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Richtige |
Vorgehensweise |
bei der |
Blutdruckmessung |
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Beim ersten hörbaren
pulsierenden Geräusch wird am Manometer der systolische Blutdruck
angezeigt. Der diastolische Druck wird abgelesen, wenn die Geräusche
völlig verschwinden. Nur bei Schwangeren sowie Kindern und Jugendlichen
wird der diastolische Druck bereits abgelesen, wenn die Geräusche
deutlich leiser werden.
Ferner muß die Weichteildicke
des Oberarmes berücksichtigt werden. Bei Oberarmumfängen von
mehr als 40 cm werden zu hohe Drücke gemessen. Diese Fehlerquelle
kann durch die Verwendung einer breiten Manschette (16-20 cm Breite) ausgeschalten
werden. Seitendifferenzen des Blutdrucks kommen auch beim Gesunden
vor. Als pathologisch gelten Unterschiede von mehr als 20 mm Hg systolisch
oder 15 mm Hg diastolisch.
Der systolische Blutdruck
stellt den höchsten Druckwert in den Gefäßen während
der Systole dar. Der während der Diastole in den Arterien herrschende
Druck ist der diastolische Blutdruck. Die systolisch-diastolische Druckdifferenz
wird Blutdruckamplitude genannt. |
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Bewertung
der Messung |
Da der Blutdruck bei keinem
Menschen - auch nicht bei Gesunden - eine völlig konstante Größe
darstellt, sind Mehrfachmessungen zu verschiedenen Zeiten empfehlenswert.
Physiologischerweise weist der Blutdruck typische Verlaufsänderungen
während der 24 Stunden eines Tages auf (sog. zirkadiane Blutdruck-Rhythmik):
Am frühen Morgen steigt der Blutdruck bis auf seinen Höchstwert
um die Mittagszeit an, sinkt dann am frühen Nachmittag ab (müde
Phase nach dem Mittagessen), um dann am späten Nachmittag einen zweiten,
allerdings etwas niedrigeren Gipfel zu erreichen; im Verlaufe der Nacht
liegen die Blutdruckwerte dann am niedrigsten. Diese Rhythmik erklärt
auch, warum beispielsweise Herzinfarkte und so genannte Blutdruckkrisen
in der ersten Tageshälfte gehäuft auftreten. Auch bei der so
genannten primären Hypertonie bleibt die zirkadiane Rhythmik auf einem
höheren Niveau erhalten, während sie bei sekundären Hochdruckformen
aufgehoben sein kann. Bei vielen völlig kreislaufgesunden Patienten
sinkt im Laufe eines stationären Aufenthaltes der Blutdruck deutlich
ab. Auch bei Hypertonikern kann dies beobachtet werden, so dass bei stationären
Patienten mit leichter Hypertonie ohne Behandlung nach einigen Tagen völlig
normale Blutdruckwerte vorliegen können. |
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Zirkadiane
Blutdruckrhythmik |
Die 24-Std.-Blutdruckregistrierung,
das ambulante Blutdruckmonitoring, gewinnt zunehmend an Bedeutung, da sie
eine wesentlich bessere Information über das Blutdruckverhalten, die
zirkadiane Rhythmik des Blutdrucks und das Ansprechen auf die Behandlung
erlaubt, als dies durch Blutdruck-Einzelmessungen möglich ist. |
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Langzeit
RR-Messung |
Wie hoch der "normale",
in Ruhe gemessene Blutdruck sein darf, ist immer noch strittig. Die Weltgesundheitsorganisation
(WHO) gibt als oberen Grenzwert des Zwanzig- bis Vierzigjährigen 130/85
mm Hg an. Im allgemeinen werden Blutdruckwerte über 160/90 mm Hg -
unabhängig vom Lebensalter - als Hypertonie bezeichnet. Dabei ist
eine diastolische Blutdruckerhöhung ernster zu beurteilen als eine
systolische. Ähnlich wie die Größe der Pulswelle hängt
auch die Größe der Blutdruckamplitude vom Schlagvolumen ab.
Krankheiten mit einem großen Schlagvolumen, wie z.B. die Aorteninsuffizienz
oder die Schilddrüsenüberfunktion, gehen daher mit einer großen
Blutdruckamplitude einher. Im Schock hingegen wird die Blutdruckamplitude
klein (z.B. 70/55 mm Hg); der Blutdruck kann dann schwierig zu messen sein.
Oft ist nur der systolische Blutdruckwert durch das Tastbarwerden des Pulses
bestimmbar. |
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Hypertonie |
Als Grenzwerthypertonie
werden systolische Werte zwischen 140-160 und diastolische Werte zwischen
90-95 mm Hg bezeichnet. Ein Teil der Menschen mit Grenzwerthypertonie entwickelt
später eine echte Hypertonie. |
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Grenzwerthypertonie |
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2.2.3
Röntgenuntersuchung des Herzens |
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Die röntgenologische
Untersuchung des Herzens erlaubt eine Aussage über Form und Größe
des ganzen Herzens sowie einzelner Herzabschnitte, Pulsationen des Herzens
und der herznahen Gefäße sowie Rückwirkungen von Herzkrankheiten
auf den Lungenkreislauf. Durch Einspritzen von Kontrastmittel, meist durch
einen Herzkatheter, die sog. Angiokardiographie, können die Innenräume
des Herzens dargestellt werden. Zudem ist eine selektive Sondierung und
Kontrastmittelfüllung der Herzkranzgefäße (Koronarographie)
möglich. Schräg- und Seitenaufnahmen sowie die Kontrastmittelfüllung
der Speiseröhre ("Ösophagus-Breischluck") verbessern die röntgenologische
Beurteilbarkeit bestimmter Herzanteile, insbesondere die des linken Vorhofes
(s. Mitralklappenfehler )
sowie die der Aorta. Mit dem Kymogramm lassen sich röntgenologisch
Pulsaktionen am Herzen und den größeren herznahen Gefäßen
darstellen. |
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Angiokardiographie |
und
Koronarographie |
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