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Linus Geisler: INNERE MEDIZIN © 1969/1999 W. Kohlhammer Verlag, Stuttgart Berlin Köln 
2. Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems
2.1 Aufgaben des Herz-Kreislaufsystems
2.1.1 Leistung des Herzens
2.1.2 Herzantrieb
2.1.3 Sauerstoffversorgung des Herzens
 
2. Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems
2.1 Aufgaben des Herz-Kreislaufsystems
Seit der Entdeckung des Kreislaufs im Jahre 1628 durch den Londoner Arzt WILLIAM HARVEY (1578-1657) existiert eine klare Vorstellung von der Funktionseinheit Herz - Gefäße - Blutstrom. HARVEY selbst allerdings nahm noch an, der Kreislauf diene vor allem der Anwärmung des Blutes im Herzen, das er als das wärmste Körperorgan ansah.
Das Herz als Motor des Kreislaufs setzt das Blut in Bewegung, pumpt es durch die Arterien in alle Körperabschnitte bis in die feinsten Kapillaren und nimmt das durch die Venen rückströmende Blut wieder auf. Dieser ständige Kreislauf ist lebensnotwendig, weil er den Antransport von Sauerstoff und Substraten zu den Geweben und den Abtransport der Kohlensäure und Stoffwechselprodukte gewährleistet.
Funktion: Antransport von
Sauerstoff und Substraten
Abtransport von
Kohlensäure und
Stoffwechselprodukten
Man unterscheidet den großen Körperkreislauf und den kleinen Lungenkreislauf. Strenggenommen unterscheidet man auch zwei Herzen, das rechte zur Versorgung des kleinen, das linke zur Versorgung des großen Kreislaufs. Diese Trennung ist nicht nur von theoretischem Interesse; es ist ebenfalls von klinischer Bedeutung, da linkes und rechtes Herz, großer und kleiner Kreislauf von sehr unterschiedlichen Erkrankungen betroffen sein können.
Großer Körperkreislauf
und
kleiner Körperkreislauf
2.1.1 Leistung des Herzens
In Ruhe pumpt das Herz etwa 3,5-5 l Blut/min (Herzminutenvolumen) durch den Kreislauf. Bei 70 Schlägen pro Minute beträgt die bei jedem Herzschlag ausgeworfene Blutmenge, das sog. Schlagvolumen, etwa 70 ml. Während der Kontraktion, der Systole, wird das Blut aus den Kammern ausgetrieben, während der Erschlaffung, der Diastole, füllen sich die Kammern wieder. Muss körperliche Arbeit geleistet werden, steigt das Minutenvolumen bis auf maximal 20-25 l an. Bei einem gut Trainierten geschieht dies durch eine kräftige Schlagvolumenerhöhung bei mäßiger Zunahme der Herzfrequenz. Beim körperlich Untrainierten sind die Verhältnisse umgekehrt; sein Herz arbeitet wesentlich unwirtschaftlicher, und seine Pulsfrequenz steigt deutlich stärker an als die eines Trainierten.
Herzminutenvolumen und
Schlagvolumen
Systole und Diastole
Die Pumpleistung des Herzens wird von folgenden Faktoren bestimmt:
  von der Kontraktilität, d.h. der Kontraktionskraft des Myokards,
  von der Vorlast des Herzens (engl. preload),
  von der Nachlast des Herzens (engl. afterload).
Faktoren zur Bestimmung
der Pumpleistung
Die Kontraktilität kann beispielsweise durch Medikamente wie Digitalis oder Dobutamin oder über das sympathische Nervensystem gesteigert werden.
Sauerstoffmangel oder Azidose hemmen die Kontraktilität. Die Vorlast hängt vom Volumen in den Herzkammern zu Ende der Diastole ab. Sie stellt die Kraft dar, die die Kammerwand in der enddiastolischen Herzzyklusphase dehnt. Die Nachlast wird vom Widerstand bestimmt, gegen den das Herz in der Systole das Blut in den Kreislauf auswerfen muß. Die medikamentöse Beeinflussbarkeit von Kontraktilität, Vor- und Nachbelastung des Herzens spielt in der Therapie der Herzinsuffizienz eine wesentliche Rolle.
2.1.2 Herzantrieb
Unter bestimmten Bedingungen kann ein Herz auch außerhalb des Organismus schlagen. Dies ist nur möglich, weil das Herz eine Art Automatismus besitzt, d.h. es ist in der Lage, selbst elektrische Impulse zu bilden, die zur Kontraktion des Herzmuskels führen. Das gesunde Herz wird vom Sinusknoten, der im rechten Vorhof liegt, angetrieben. Er ist der Schrittmacher des Herzens und bildet in Ruhe pro Minute 70-80 Erregungen, die über die Vorhofmuskulatur zum Atrio-Ventrikularknoten (AV-Knoten), der an der Grenze vom rechten Vorhof zum Septum liegt, weitergeleitet werden. Über den rechten und linken Schenkel (Tawara-Schenkel) des His-Bündels in der Kammerscheidewand gelangen sie an die Kammermuskulatur. Beim linken Tawara-Schenkel werden ein anteriores (vorderes) und ein posteriores (hinteres) Bündel unterschieden.
Erregungsbildung und
Reizleitungssystem
Normalerweise schlägt das Herz im Sinusrhythmus. Fällt der Sinusknoten aus, so wird der zweitschnellste Schrittmacher, der AV-Knoten, zum Erregungsbildner; seine Eigenfrequenz (AV-Rhythmus) liegt bei 50 Impulsen/min. Versagt auch er, so kann das Erregungsbildungssystem in der Kammermuskulatur selbst etwa 25-40 Kontraktionen/min auslösen (Kammereigenrhythmus). Ist die Fortleitung der Erregung vom Sinusknoten über den AV-Knoten zur Kammermuskulatur an irgendeiner Stelle gestört, so spricht man von einer Reizleitungsstörung.
2.1.3 Sauerstoffversorgung des Herzens
Etwa 5 % des gesamten Minutenvolumens führt das Herz durch die linke und rechte Herzkranzschlagader (Koronararterie) sich selbst zu, obwohl sein Gewicht nur 0,5 % des Körpergewichts beträgt. Diese starke Durchblutung ist durch den hohen Sauerstoffbedarf des Myokards bedingt. Dies erklärt auch, warum das Herz gegenüber Sauerstoffmangel besonders empfindlich ist. Übersteigt der Bedarf an Sauerstoff und Substraten des Herzmuskels das durch die Koronarien zugeführte Angebot, so liegt eine Koronarinsuffizienz vor. Diese wiederum ist eine der Hauptursachen für das Versagen des Herzens.
Die Durchblutung der Herzkranzgefäße und damit der Herzmuskulatur erfolgt praktisch ausschließlich während der Diastole.
Hoher O2-Bedarf des Myokards
Häufigste Ursache des
Herzversagens ist die
Koronarinsuffizienz
Der Hauptstamm der linken Koronararterie teilt sich in einen Ast, der im Vorderwandbereich zur Herzspitze verläuft (Ramus interventricularis anterior = RIVA), und den zur Herzhinterwand ziehenden Ramus circumflexus. Man spricht daher - auch wegen der zahlreichen Varianten - nicht ganz zu Recht von drei Herzkranzgefäßen (rechte Koronararterie, Ramus descendens und Ramus circumflexus der linken Koronararterie). Diese Einteilung ist von praktischer Bedeutung, da bei der koronaren Herzkrankheit je nach Zahl der betroffenen Äste von einer Ein-, Zwei- oder Dreigefäßerkrankung gesprochen wird. Der Sinusknoten wird meist von der rechten Koronararterie versorgt. Deswegen führt ihr Verschluss bei Herzinfarkten besonders häufig zu Rhythmusstörungen.
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Linus Geisler: INNERE MEDIZIN. 17. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage, Stuttgart Berlin Köln
© 1969/1999 W. Kohlhammer Verlag
Autorisierte Online-Veröffentlichung: Homepage Linus Geisler - www.linus-geisler.de
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