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Linus Geisler: INNERE MEDIZIN (18) © 1969/2002 W. Kohlhammer Verlag, Stuttgart Berlin Köln 
8.5  Klinik der Dickdarmerkrankungen
8.5.1 Colitis ulcerosa
8.5.2 Irritables Kolon
8.5.3 Kolondivertikel
8.5.4 Gutartige Dickdarmtumoren
 
8.5 Klinik der Dickdarmerkrankungen
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8.5.1 Colitis ulcerosa
Definition: Bei der Colitis ulcerosa handelt es sich um eine chronische, meist im Rektum beginnende Entzündung des Dickdarms, die zu geschwürigen Schleimhautdefekten führt.
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Die Colitis ulcerosa ist eine wichtige, relativ häufige Dickdarmerkrankung, die vorwiegend jüngere Menschen befällt. Frauen sind häufiger betroffen. Vorkommen und Häufigkeit
Als ätiologische Faktoren werden Nahrungsmittelallergien, Autoimmunprozesse und psychische Einflüsse diskutiert. Letztere sind zweifelsohne bedeutungsvoll, wie das Auftreten neuer Schübe bei seelisch belastenden Situationen zeigt. Ätiologie
Am häufigsten werden das Rektum und das absteigende Kolon betroffen, nicht selten ist der gesamte Dickdarm erkrankt. Im fortgeschrittenen Stadium bestehen ausgedehnte Geschwürsflächen mit Zerstörung der Schleimhaut. Schließlich kommt es zur Schrumpfung des Dickdarms, der sich allmählich in ein starres Rohr verwandelt. Pathologische Anatomie
Das Leitsymptom sind schleimig-blutige Durchfälle, die in den meisten Fällen allmählich einsetzen. Eitrige Stuhlabgänge, Fieber und Leukozytose können hinzukommen. Die Stuhlentleerungen gehen manchmal mit schweren Darmkrämpfen und quälenden rektalen Tenesmen einher.
Begleitsymptome wie Polyarthritis, Iritis und Hauterscheinungen zeigen, dass es sich um eine Systemerkrankung handelt. Sie verläuft meist schubweise.
Klinisches Bild
Gefürchtet ist die relativ seltene akute Verlaufsform, die sog. toxische Colitis, mit heftigen eitrig-blutigen Stühlen, septischen Temperaturen, schwer gestörtem Gesamtzustand und Anämie. Dabei ist das Kolon massiv erweitert und gasgefüllt (sog. toxisches Megakolon). Es kommt zur lokalisierten Peritonitis und zum Ileus mit drohender Perforation. Der Zustand kann innerhalb weniger Tage zum Tode führen. Toxische Colitis und toxisches Megakolon
Das Auftreten von Abszessen im Analbereich, Fistelbildungen, Perforation, schwerer Anämie und paralytischem Ileus zeigen, dass es sich um eine gefährliche Erkrankung handelt. Mit zunehmender Erkrankungsdauer steigt die Gefahr der Entstehung eines Kolonkarzinoms. Die Colitis ulcerosa ist somit eine echte Präkanzerose - engmaschige Verlaufskontrollen sind daher erforderlich. Komplikationen
Die Diagnose ist aus dem klinischen Bild, den endoskopisch-bioptischen Befunden und den röntgenologisch nachweisbaren Kolonveränderungen zu stellen. Die Abgrenzung zur Ileitis terminalis kann schwierig sein. Diagnose
Abb. 78: Colitis ulcerosa Abb. 78
Abb. 78: Colitis ulcerosa
Die Prognose ist ungünstig, da eine Ausheilung auf Dauer nur bei 20 % der Patienten gelingt. Sie ist jedoch günstiger als beim Morbus Crohn. Bei den meisten Patienten bestehen über Jahre mehr oder minder ausgeprägte Symptome. Verlauf und Prognose
Die Behandlung besteht aus folgenden Maßnahmen:
•  Diät
Schlackenarme, kalorienreiche, leicht verdauliche Kost - evtl. sog. Astronautenkost.
Medikamente
Am wirksamsten sind Salazosulfapyridin (z.B. Azulfidine®), 5-ASA-Präparate (z.B. Salofalk®, Claversal®) und Kortikoide.
Operative Maßnahmen
Eine operative Intervention ist angezeigt bei unstillbaren Blutungen und Perforationen. In medikamentös nicht beherrschbaren Fällen muss fast das ganze Kolon entfernt und eine Ileostomie angelegt werden. Sie besteht im Einnähen des Ileumstumpfes in die Bauchwand. Die Entleerung der Stühle erfolgt in einen luft-und wasserdicht anliegenden Ileostomiebeutel.
Durch moderne Operationsverfahren kann die Anlage eines Ileostomas jedoch vermieden werden. Hierbei wird eine Verbindung des terminalen Ileum mit dem Enddarm bei Entfernung des gesamten Dickdarms hergestellt, einschließlich der Beseitigung der Rektumschleimhaut. Dann wird ein Reservoir aus Dünndarm, ein sog. pouches, gebildet. Die Krankheit kann durch dieses operative Verfahren vollständig geheilt werden.
Psychotherapie
Da bei der Krankheitsentstehung psychische Faktoren beteiligt sein können, kann bei bestimmten Patienten begleitend eine Psychotherapie wertvoll sein.
Therapie
Übersicht 39: Pflegerische Schwerpunkte bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (M. Crohn/Colitis ulcerosa) Übersicht 39
•  Im akuten Schub bzw. bei schwerem Verlauf sollte der Patient weitestgehend Bettruhe einhalten. Die damit verbundenen Prophylaxen (Dekubitus, Pneumonie, Thrombose) sind sorgfältigst durchzuführen. Besonders wichtig ist die Dekubitusprophylaxe, da die Patienten oft kachektisch sind.
Unterstützung bei der Körperpflege; für die Intimtoilette Einmalmaterial und spezielle Pflegemittel verwenden (Hautschutz).
Die Nahrungskarenz bzw. verordnete Diät beachten.
Vitalzeichenkontrolle: bei hohen Temperaturen mit gleichzeitigem Erbrechen und Schocksymptomatik sofort den Arzt informieren, da Verdacht auf ein toxisches Megakolon besteht.
Psychische Betreuung - auf Wunsch des Patienten kann die Vermittlung von Selbsthilfegruppenkontakten sinnvoll sein.
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8.5.2 Irritables Kolon
Definition: Als irritables oder Reizkolon (spastisches Kolon) bezeichnet man eine häufige, funktionell bedingte Kolonerkrankung, bei der es zu Spasmen des Dickdarms kommt.
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Die Symptome bestehen in krampfartigen Leibschmerzen wechselnder Lokalisation, Druck oder Stechen im Kolonverlauf, sog. Rahmenschmerz, und Wechsel zwischen Obstipation und Diarrhoe. Das Krankheitsbild wird, wenn gleichzeitig glasiger Schleim abgeht, auch Colica mucosa genannt. Die Diagnose darf nur bei Ausschluss einer organischen Ursache für die Beschwerden gestellt werden. Klinisches Bild
Durch lokale Wärmeanwendung, Schonkost und krampflösende Präparate kann eine Linderung erzielt werden. Für die Langzeitbehandlung sind ballaststoffreiche Kost, Gaben von Weizenkleie und Stuhlgangregulierungen wichtig. Therapie
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8.5.3 Kolondivertikel
Definition: Divertikel sind umschriebene Wandausstülpungen eines Hohlorgans. Kolondivertikel sind "falsche Divertikel", da lediglich Ausstülpungen der Darmschleimhaut durch die Muskelschicht hindurch vorliegen. Kolondivertikel sind die häufigsten Divertikel des Verdauungstraktes.
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Jenseits des 40. Lebensjahres nimmt die Häufigkeit der Kolondivertikel kontinuierlich zu. Kolondivertikel finden sich bei 40 % aller über Sechzigjährigen. Häufigkeit und Vorkommen
Die meist bohnengroßen Divertikel, aus denen sich Darminhalt gegen das Darmlumen auspressen lässt, finden sich im gesamten Dickdarm. Sie sind vorwiegend im Sigma und Colon descendens lokalisiert. Pathologische Anatomie
Zu Beschwerden kommt es meist erst, wenn Komplikationen auftreten. Die Entzündung der Divertikel, die Divertikulitis, führt zu Unterbauchschmerzen mit tastbarer Resistenz im linken Unterbauch, Obstipation, Fieber und Leukozytose zur sog. Linksappendizitis. Abszedierung und Einbruch der Eiterherde in Nachbarorgane wie z.B. in die Harnblase (kothaltiger Urin) oder in die Blutbahn mit Sepsis sind möglich. Die chronische Divertikulitis birgt die Gefahr der narbigen Darmstenose. Klinisches Bild und Komplikationen
Die Diagnoseerstellung erfolgt durch einen Kolonkontrasteinlauf oder eine Rekto-Sigmoidoskopie. Diagnose
Die akute Divertikulitis wird mit Wärme, leichter Kost, milden Abführmitteln und Antibiotika behandelt. Perforation, Abszedierung, Fistelbildung und stärkere Stenosierungen machen eine Operation erforderlich. Therapie
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8.5.4 Gutartige Dickdarmtumoren
Am wichtigsten sind die sog. Polypen, d.h. Gewebsneubildungen, die von der Schleimhaut ausgehen und im Darmlumen vortreten. Histologisch handelt es sich um tubuläre, villöse oder tubulovillöse Adenome. Mit einer malignen Entartung ist bei tubulovillösen Adenomen, die größer als 1 cm sind, zu rechnen. In diesem Fall ist deswegen eine endoskopische Abtragung erforderlich. Polypen
Abb. 79: Adenom im Kolon Abb. 79
Abb. 79: Adenom im Kolon
Von einer Polyposis spricht man, wenn mehr als 100 Polypen vorliegen. Die familiäre generalisierte Polyposis ist ein sehr seltenes Erbleiden. Im Jugendalter sind bereits das gesamte Rektum und Kolon mit zahllosen Polypen übersät. Fast regelmäßig kommt es zur karzinomatösen Entartung, sodass möglichst frühzeitig das gesamte Kolon und Rektum entfernt und eine Ileostomie (s. S. 312 Link ) angelegt werden muss. Polyposis
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Linus Geisler: INNERE MEDIZIN. 18. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage, Stuttgart Berlin Köln, 2002
© 1969/2002 W. Kohlhammer Verlag
Autorisierte Online-Veröffentlichung: Homepage Linus Geisler - www.linus-geisler.de
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