2.3.11.3
Thrombose und Embolie |
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Definition: Die Bildung
von Blutgerinnseln in Blutgefäßen wird Thrombose, ihre Verschleppung
mit dem Blutstrom in den Kreislauf Embolie genannt. |
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Pathologisch-anatomisch
können zwei Arten von Thromben unterschieden werden:
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Gerinnungsthromben:
Sie sind rot, glatt, haben die gleiche Zusammensetzung wie das Blut und
entstehen meist bei verlangsamter oder stockender Blutzirkulation (Stase). |
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Abscheidungsthromben:
Sie sind weißlich, enthalten reichlich Leukozyten und entstehen an
verletzten oder geschädigten Gefäßwandstellen, z.B. an
einem arteriosklerotischen Herd. An dem geschädigten Wandbezirk kommt
es zum Haften von Thrombozyten, die den Gerinnungsvorgang einleiten und
so zur Thrombose führen. |
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Einteilung
der Thromben |
Bereits der Pathologe RUDOLF
VIRCHOW (1821-1902) hat die drei wesentlichen Ursachen der Thrombose erkannt
und beschrieben (sog. Virchowsche Trias):
• Verlangsamung der
Blutströmung,
• Gefäßwandschädigung,
• gesteigerte Gerinnbarkeit
des Blutes (Hyperkoagulabilität). |
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Ursachen
und
Entstehung |
Zu einer gesteigerten Gerinnbarkeit
kann es beispielsweise nach Operationen infolge der Freisetzung von Gewebsthrombokinase
oder durch vermehrte Faktorenbildung in der Leber bei einem Rückgang
der Leberstauung durch Behandlung der Herzinsuffizienz kommen. Das sog.
Antithrombin III (AT III) im Blut hemmt die Gerinnungsfaktoren. Ein AT-III-Mangel,
der z.B. postoperativ auftritt oder angeboren vorkommt (AT-III-Erniedrigung
unter 70% der Norm), bedeutet daher erhöhte Thrombosegefahr. AT III
kann bei Mangelzuständen als Kybernin® medikamentös substituiert
werden. Bei den Arterien sind die Gefäßwandschäden überwiegend
arteriosklerotisch bedingt, bei den Venen entzündlich entstanden (Thrombophlebitis).
Zur Strömungsverlangsamung kann es durch Bettruhe, Herzinsuffizienz
oder Schockzustände aufgrund der gestörten Mikrozirkulation kommen.
Eine Thrombenbildung in nicht entzündeten Venen wird Phlebothrombose
genannt. |
Venöse Thromben
bilden sich zu 95% im Einzugsgebiet der unteren Hohlvene, vor allem
in den Beinvenen, weniger häufig in den Beckenvenen und selten
im Pfortadergebiet. Auch im Herzen, dort überwiegend im vergrößerten
linken Vorhof - z.B. bei Mitralklappenfehlern - können sich Thromben
bilden. |
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Vorkommen |
Arterielle Thromben
entwickeln sich praktisch überall dort, wo die Arteriosklerose
zu Intimaschäden geführt hat, d.h. an den Herzkranzgefäßen
(Herzinfarkt), Brust- und Bauchaorta, Beingefäßen (periphere
Durchblutungsstörung), Halsschlagadern und Hirngefäßen
(Apoplexie) oder Mesenterialgefäßen (Mesenterialinfarkte). |
Jeder frisch Operierte ist
infolge der gesteigerten Blutgerinnung und der eingeschränkten Mobilität
thrombosegefährdet. Venöse Thrombosen treten besonders häufig
nach Uterusentfernung, Milzexstirpation, Bruchoperationen und Kaiserschnitten
auf. In der Inneren Medizin sind vorwiegend Patienten mit Herzinsuffizienz,
Infarkt- und Tumorpatienten, alle länger immobilisierten Patienten
und Patienten mit Lähmungen (apoplektische Insulte, Polyneuropathien)
betroffen. |
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Disponierende
Faktoren |
Die Unterscheidung zwischen
einer oberflächlichen und einer tiefen Thrombose ist klinisch wichtig.
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Bei oberflächlicher
Thrombophlebitis zeigt die erkrankte, oberflächlich tastbare Venenpartie
alle klassischen Entzündungszeichen wie Wärme, Schmerzhaftigkeit,
Verdickung und Rötung. Es besteht eine umschriebene Entzündung
im Bereich eines Hautvenenstrangs oder einer Krampfader. Der Schmerz ist
lokalisiert, Fieber und Ödeme fehlen, Lungenembolien treten praktisch
nicht auf. |
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Tiefe Thrombosen,
die vor allem wegen ihrer Spätfolgen und der Gefahr einer Lungenembolie
gefürchtet sind, können eher verkannt werden. Es besteht häufig
eine Druck- oder Klopfschmerzhaftigkeit an der Fußsohle (sog.
Payrzeichen) oder an der Wade (s. Abb. 30, S. 154). Je nach Lokalisation
der Thrombose besteht eine Schwellung des Unter- oder auch des Oberschenkels.
In der betroffenen Extremität besteht ein Schweregefühl, die
Haut kann bläulich verfärbt sein. Temperaturen um 38° C sind
Folge der Entzündung; der Puls ist häufig stärker erhöht,
als es der erhöhten Temperatur nach zu erwarten wäre. |
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Klinisches
Bild |
Thromben können bindegewebig
durchwachsen, d.h. organisiert und auf diese Weise fest mit der Gefäßwand
verbunden werden. Auflösung kleinerer Thromben durch die körpereigene
Fibrinolyse ist möglich. Wird ein Thrombus später wieder duchgängig,
so spricht man von Rekanalisation. Schließlich besteht die Möglichkeit
einer Infizierung und eitrigen Erweichung des Thrombus. Die gefährlichste
Komplikation ist jedoch die Embolie. |
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Merke: Die gefürchtetste
Komplikation der Thrombose ist die Lungenembolie! |
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Abb. 30: Typische
Druckschmerzpunkte bei tiefer Beinvenenthrombose (modifiziert nach Hild
und Nobbe)

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Abb.
30 |
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Emboliegefährdet sind
folgende Organe:
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Lunge
Primär gefährdet
ist die Lunge, in die aus dem gesamten venösen Stromgebiet des großen
Kreislaufs über das rechte Herz und die Arteria pulmonalis Emboli
gelangen können. Kleinere Lungenembolien verlaufen oft unbemerkt,
massive können zum sofortigen Tod führen. |
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Herz
Der linke Vorhof stellt
die Hauptquelle für Embolien im großen Kreislauf dar. Hier sind
besonders Hirn-, Nieren- und Extremitätenembolien gefürchtet.
Hirnembolien führen zum Bild der Apoplexie, Nierenembolien zu akuten
Schmerzen in der Flanke. |
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Extremitäten
Extremitätenembolien
sind in der Regel leicht zu erkennen, ihre rasche Diagnose ist außerordentlich
wichtig, da die Soforttherapie (s.u.) aussichtsreich ist. Die Leitsymptome
arterieller Extremitätenembolien sind: Blässe, Kälte,
dumpfer, "peitschenhiebartiger" Schmerz, Pulslosigkeit sowie
Bewegungs- und Empfindungsstörungen der Extremität. |
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Emboliegefährdete
Organe |
Die Amerikaner sprechen
von den sechs p der Extremitätenembolie:
• pain (Schmerz),
• paleness (Blässe),
• pulselessness (Pulslosigkeit),
• paresthesia (gestörte
Empfindung),
• paralysis (Lähmung),
• prostration (Schock). |
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Die
sechs "p" der
Extremitätenembolie |
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Merke: Akut aufgetretene
Extremitätenbeschwerden mit Blässe, Kaltwerden und Bewegungsstörungen
sind dringend auf eine arterielle Extremitätenembolie verdächtig
und stellen einen Notfall dar! |
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Bei Extremitätenembolien
sollte immer die chirurgische Embolusentfernung, die Embolektomie,
versucht werden, die innerhalb der ersten 6-8 Stunden nach dem akuten Ereignis
am aussichtsreichsten ist. Später kommt eine Fibrinolysebehandlung
oder evtl. eine Spätembolektomie in Frage. Die Extremität muß
tief gelagert werden.
Bei der akuten oberflächlichen
Thrombophlebitis wird ein straffer Kompressionsverband angelegt;
der Patient soll viel laufen und keineswegs Bettruhe einhalten. |
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Therapie |
Bei der tiefen Venenthrombose
ist ebenfalls ein Kompressionsverband, am besten ein sog. Fischer- oder
Pütterverband, notwendig. Bei ganz frischer Thrombose der Oberschenkel-
und Beckenvenen wird systemisch oder neuerdings lokal über eine Fußrückenvene
fibrinolysiert, sonst eine anschließende Antikoagulantientherapie
eingeleitet. Krankengymnastische Übungen und Hochlagerung sind von
Anfang an erforderlich. Mit Kompressionsverband kann der Patient nach wenigen
Tagen strenger Bettruhe aufstehen. |
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Thromboseprophylaxe |
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Abb.
31: Fachgerechtes Anlegen eines Kompressionsverbandes zur Thromboseprophylaxe

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Abb.
31 |
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Zur Thromboseprophylaxe
wird niedrig dosiertes Heparin (low-dose-Heparin) in einer Dosis von 2-3
x tägl. 5000-7500 IE subcutan appliziert.
Niedermolekulares Heparin,
z.B. Mono-Embolex®, hat den Vorteil, daß es nur einmal täglich
gespritzt werden muss. |
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Thromboseprophylaxe |
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Postthrombotisches Syndrom |
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Definition: Das postthrombotische
Syndrom stellt eine Spätkomplikation der tiefen Beinvenenthrombose
dar. |
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Das postthrombotische Syndrom
ist gekennzeichnet durch:
• Ödembildung,
• Varizen (Krampfadern),
• Störungen der
Hauternährung bis zum Unterschenkelgeschwür (Ulcus cruris) und
• Hautausschläge. |
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Spätkomplikation: |
postthrombotisches |
Syndrom |
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Die wichtigste therapeutische
Maßnahme beim postthrombotischen Syndrom besteht darin, dass der
Patient mit sachgerecht gewickelten Beinen bzw. maßgefertigten Kompressionsstrümpfen
möglichst viel geht. Auf diese Weise werden die venöse Zirkulation
gesteigert und die Ödembildung verringert. |
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Merke: Günstig
für Patienten mit Erkrankungen der Venen ist Laufen und Liegen, schlecht
hingegen ist Stehen und Sitzen. |
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nach oben |
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2.3.11.4 Varikose |
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Definition: Als Varizen
(sog. Krampfadern) bezeichnet man ausgeweitete, oft knotig ausgebauchte
und geschlängelte Venen, vor allem im Bereich der Unter- und Oberschenkel. |
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Varizen werden bei ca. 35%
aller Erwachsenen gefunden. Ihr Krankheitswert ist je nach Art, Ausdehnung
und Lokalisation außerordentlich verschieden. |
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Vorkommen |
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Tab. 16: Wichtigste
Venenkrankheiten, Folgezustände und Gefahr der Lungenembolie (nach
Th.
Brecht)
Varikosis (Krampfadern)
•
primäre Varikosis
•
sekundäre Varikosis |
-
Variköser Symptomenkomplex
Postthrombotisches
Syndrom |
Thrombophlebitis
•
oberflächliche Thrombophlebitis
•
Varikophlebitis |
-
Keine Emboliegefahr
Bedingte Emboliegefahr |
Phlebothrombose
(tiefe Venenthrombose) |
-
Hohe Emboliegefahr |
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Tab.
16 |
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Primäre Varizen entwickeln
sich anlagebedingt auf dem Boden einer angeborenen Venenwandschwäche.
Sekundäre Varizen sind meist Folge einer Thrombophlebitis. |
Patienten mit Varikose klagen
häufig über Schwere- und Spannungsgefühl in den Beinen,
Wadenkrämpfe und Knöchelödeme. Lokale Hautekzeme, Unterschenkelgeschwüre
und Thrombophlebitiden sind die wichtigsten Komplikationen. Als Ulcus
cruris bezeichnet man Hautdefekte am Unterschenkel, die bis mindestens
in die Lederhaut reichen. Sie können einzeln oder mehrfach auftreten
und sind überwiegend venös bedingt. |
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Symptome
und
Komplikationen |
Therapeutisch sind häufiges
Hochlagern der Beine und eine effektive Kompressionsbehandlung in Form
von Bandagen oder Kompressionsstrümpfen (s. Abb. 31, S. 155 )
sowie Bewegungstherapie mit Aktivierung der Wadenmuskelpumpe am wichtigsten.
Die Wirkung einer medikamentösen Behandlung mit z.B. Rosskastanienextrakten
ist zweifelhaft. Chirurgisch kommen Verödungsbehandlungen oder eine
operative Varizenausschaltung in Betracht. |
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Therapie |
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Übersicht 23: Pflege
bei varikösem Symptomenkomplex
1. Patienten zum Laufen
motivieren, langes Stehen vermeiden
2. Gut sitzender Kompressionsverband
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3. Bei Ulcus cruris:
• Säuberung der
Wunde mit Kamille- oder physiologischer Kochsalzlösung;
• Infektionen mit
Betaisodona®, Mercurochrom® oder Fibrolan® behandeln;
• Umgebungshaut mit
Öl reinigen und mit Bepanthen® oder Linola Fettsalbe® pflegen. |
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Übersicht
23
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